Der schmerzhafteste Insektenstich der Welt

Wer glaubt, ein Bienenstich tut richtig weh, der kennt diese Insekten noch nicht

Westliche Honigbiene (Foto: I. Leidus)

Insektengifte sind wenig untersucht

Im Gegensatz zu den Giften von Schlangen, Skorpionen und vielen Spinnenarten sind die Gifte der meisten Insekten bisher kaum erforscht. Wohl vor allem deshalb, weil sie für Menschen normalerweise nicht lebensbedrohlich sind – außer es handelt sich um einen Massenangriff z. B. durch Wespen oder Bienen oder der/die Gestochene erleidet eine allergische Reaktion in Form eines anaphylaktischen Schocks. Ansonsten ist ein Insektenstich für Menschen vor allem eines: schmerzhaft. Und das soll auch so sein, da das stechende Insekt uns ja als Bedrohung sieht und vertreiben will.

Faktoren für die Intensität des Schmerzes

Wie schmerzhaft der Stich empfunden wird, hängt vor allem davon ab, wie das Gift chemisch zusammengesetzt ist und welche Menge injiziert wird. Da über die schmerzauslösenden Stoffe in Insektengiften aber bisher wenig bekannt ist, lässt sich die Schmerzhaftigkeit eines Giftes kaum durch Laboranalysen einschätzen. Und so stammen die meisten Aussagen hierzu aus Erfahrungsberichten unfreiwillig Betroffener und von mutigen Wissenschaftlern, die sich absichtlich stechen ließen.

Studie zur Schmerzhaftigkeit von Insektenstichen

Auf Grundlage solcher Schilderungen und eigener Erfahrungen haben Wissenschaftler der University of Arizona eine vierstufige Schmerzskala für Insektenstiche, den Schmidt Sting Pain Index, entwickelt. Die Schmerzstufen werden dort wie folgt beschrieben:

Schmidt Sting Pain Index (gekürzt)

Liste von 115 Insekten

Anhand dieses Index haben die Forscher 115 Insektenarten aus der Ordnung der Hautflügler (Hymenoptera) kategorisiert. Zu dieser Ordnung gehören insbesondere Wespen, Bienen und Ameisen. Es ist noch zu erwähnen, dass man als amerikanische Universität vor allem Bewohner des amerikanischen Doppelkontinents in den Fokus stellte. Es mag also z. B. in Asien oder Afrika ähnlich schmerzhafte oder gar noch schmerzhaftere Insektenstiche geben als die hier erfassten. Doch trotz dieser Schwerpunktsetzung finden sich auch einige Insekten auf der Liste, die bei uns in Deutschland ebenfalls anzutreffen sind.

Deutsche Wespe bekommt nur eine 2

So wird z. B. unsere Rote Gartenameise (Myrmica rubra) in Stufe 1 eingeordnet. Die Deutsche Wespe (Vespula germanica) und die ebenfalls bei uns häufige Westliche Honigbiene (Apis mellifera) schaffen es immerhin in Kategorie 2. Doch die absoluten „Schmerzchampions“ findet man vor allem in (sub-) tropischen Gefilden.

Rote Gartenameisen (Foto: G. Alpert)
Deutsche Wespe (Foto: G. San Martin)

Die Spitzenreiterzumindest beinahe

Unter allen 115 gelisteten Arten erreichen nur drei die Stufe 4, verursachen also nahezu unerträgliche Schmerzen. Zwei davon gehören zur Familie der Wegwespen: nämlich Pepsis grossa (südliche USA bis Peru) und Pepsis thisbe (USA, Mexiko). Beide sind mit drei bis fünf Zentimetern ziemlich große Wespen und dafür bekannt, sogar Jagd auf Vogelspinnen zu machen. Die dritte Art, deren Stich Schmerzstufe 4 erreicht, ist die etwa zwei Zentimeter lange Synoeca septentrionalis (Mittelamerika). Sie gehört zu den sogenannten Faltenwespen.1

Pepsis grossa mit Vogelspinne (Foto: B. Kimmel)
Pepsis thisbe (Foto: A. Schmierer)
Synoeca septentrionalis (Foto: J. Pineda)

Dieses Insekt übertrifft alle

Ein Insekt in der Liste übertrifft jedoch alle anderen: Die 24-Stunden-Ameise (Paraponera clavata). Sie wird mit einer 4+ bewertet2. Zwar übertrifft der Schmerz unmittelbar nach dem Stich nicht unbedingt den der oben genannten Wespen. Doch während das Leiden durch den Wespenstich nach relativ kurzer Zeit wieder nachlässt, ist die 24-Stunden-Ameise unerbittlicher. Die quälenden Schmerzen, die ihr Stich verursacht, sollen – wie ihr Name schon vermuten lässt – 24 Stunden andauern. Leidtragende, mit denen ich selbst sprechen konnte, vergleichen den Schmerz mit dem einer Schusswunde. So kam auch die englischsprachige Bezeichnung „Bullet Ant“, also Gehwehrkugelameise, zustande. Andere vergleichen das „Erlebnis“ mit Verbrennen bei lebendigem Leib. Und viel mehr als zu kühlen und Antihistaminka zu verabreichen kann man nicht dagegen tun. Immerhin: Das Gift hinterlässt keine bleibenden Schäden.

24-Stunden-Ameise (Foto: D. Descouens)
Stachel der 24-Stunden-Ameise (Foto: The Next Gen Scientist)

Eine der größten Ameisen überhaupt

Die 24-Stunden-Ameise lebt in den mittel- und südamerikanischen Regenwäldern und nutzt ihr Gift, sogenanntes Poneratoxin, sowohl zur Jagd als auch zur Verteidigung. Mit einer Länge von bis zu drei Zentimetern ist sie auch eine der weltweit größten Ameisen. Zum Glück gilt sie als nicht besonders aggressiv, außer sie verteidigt ihr Nest.

Die 24-Stunden-Ameise als Mutprobe

Trotz der Qualen, die der Stich der Ameise verursacht, gibt es (neben wenigen wagemutigen Wissenschaftlern) tatsächlich Menschen, die sich der Tortur freiwillig aussetzen. Bei den Sateré-Mawé, einem indigenen Volk im brasilianischen Amazonasgebiet, ist das Insekt Teil eines Initiationsrituals. Jungen ab zwölf Jahren stecken für eine halbe Stunde eine Hand in einen mit Ameisen gefüllten Handschuh. Hält der Prüfling die Schmerzen aus, empfiehlt er sich damit für höhere Positionen in der Stammeshierarchie. Allerdings ist es mit einem Mal nicht getan: Er muss das grausame Ritual im Laufe seines Lebens 25-mal absolvieren.3  

„Handschuh“ für das Ameisenritual (Foto: J. Martins)
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Quellen:

1 Schmidt, J. O. (2019). The Insect Sting Pain Scale: How the Pain and Lethality of Ant, Wasp, and Bee Venoms Can Guide the Way for Human Benefit.

2 Schmidt, J. O., Blum, M. S., & Overal, W. L. (1983). Hemolytic activities of stinging insect venoms. Archives of Insect Biochemistry and Physiology, 1(2), 155-160.

3 Haddad Junior, V., Cardoso, J. L. C., & Moraes, R. H. P. (2005). Description of an injury in a human caused by a false tocandira (Dinoponera gigantea, Perty, 1833) with a revision on folkloric, pharmacological and clinical aspects of the giant ants of the genera Paraponera and Dinoponera (sub-family Ponerinae). Revista do Instituto de Medicina Tropical de São Paulo, 47, 235-238.

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