Das größte Raubtier Deutschlands

Welches ist unser größtes heimisches Raubtier?

Was ist überhaupt ein Raubtier?

Um die Frage seriös zu beantworten, muss zunächst der Begriff geklärt werden. Umgangssprachlich gelten alle Tiere, die andere Tiere jagen und fressen als Raubtiere. Demnach wäre also etwa ein Hai ebenso ein Raubtier wie ein Delfin, ein Falke oder eine Spinne. Dies entspricht jedoch nicht der wissenschaftlichen Definition.

Kein „echtes“ Raubtier: der Delfin (Foto: S. Elmore)

In der Zoologie klar definiert

Wissenschaftlich ist der Raubtierbegriff deutlich begrenzter. Die Raubtiere (Carnivora) bilden eine Ordnung innerhalb der Säugetiere. Unter ihnen sind nicht nur reine Fleischfresser, sondern auch Allesfresser. Aber alle Raubtiere gehören zu den Katzenartigen oder Hundeartigen. Katzenartige (Feliformia) sind neben den eigentlichen Katzen z. B. auch Hyänen oder die madagassische Fossa. Die Hundeartigen (Caniformia) wiederum bilden die Wölfe und Füchse, aber z. B. auch Robben und Bären. Die Abbildung macht es vielleicht anschaulicher.

Systematik der Raubtiere (Grafik: various)

Aber welches ist nun unser größtes heimisches Raubtier?

Man könnte an einen Meeresgiganten denken, doch er ist es nicht

Nach umgangssprachlicher Definition könnte man annehmen, der Pottwal (Physeter macrocephalus) sei unser größtes Raubtier. Der auf Tintenfische spezialisierte Zahnwal kann schließlich 20 Meter lang und 50 Tonnen schwer werden. Allerdings wird er in der deutschen Nordsee nur extrem selten angetroffen. Und in den wenigen bisherigen Fällen geht man davon aus, dass die – meist gestrandeten – Tiere sich verirrt hatten. Daher gelten sie bei uns nicht als heimisch. Das Gleiche gilt für den bis zu 300 Kilo schweren Großen Tümmler (Tursiops truncatus). Obwohl er deutlich häufiger in Deutschland gesehen wird als der Pottwal, gilt auch er nicht als heimisch. Vor allem aber sind beide keine „echten“ Raubtiere im zoologischen Sinn. Und damit aus dem Rennen!

Ebenfalls keine „echten“ Raubtiere: die Pottwale (Foto: G. Barathieu)

Also ist es der Bär?

Der Eurasische Braunbär (Ursus arctos arctos) ist zwar ein Allesfresser, aber zoologisch ein „echtes“ Raubtier. Und mit über 200 Kilo Gewicht und aufgerichtet über zwei Metern Größe ist er eine wahrhaft imposante Erscheinung. Infolge gnadenloser Ausrottung gilt er in Deutschland aber seit fast 200 Jahren als ausgestorben. Dass mittlerweile wieder gelegentlich einzelne Bären eine Tatze auf Bundesgebiet setzen, macht sie natürlich noch lange nicht wieder zu einer heimischen Art. Auch Meister Petz ist also nicht unser größtes heimisches Raubtier.

Braunbär (Foto: J. M. P. Ortego)

Dann muss es der Wolf sein

Der Eurasische Wolf (Canis lupus lupus) war wie der Bär in Deutschland ausgerottet, ist im Unterschied zu diesem aber seit Ende des 20. Jahrhunderts wieder heimisch, vermehrt sich und breitet sich aus. Und er kann immerhin über 50 Kilo schwer werden, womit Isegrimm tatsächlich Deutschlands größtes Landraubtier ist. Aber eben nur an Land.

Deutschlands größtes Landraubtier: der Eurasische Wolf (Foto: C. Brück)

Die wahre Nummer Eins: die Kegelrobbe

Denn der Spitzenreiter lebt (überwiegend) im Wasser. Die Kegelrobbe (Halichoerus grypus) ist mit bis zu 300 Kilo Gewicht und 2,5 Metern Länge unser größtes heimisches Raubtier – egal nach welcher Definition des Raubtierbegriffes. Sie ist die weitaus größere unserer beiden heimischen Robbenarten. Mit ihrem kleineren Verwandten, dem bis zu 100 Kilo schweren Seehund (Phoca vitulina) ist die Kegelrobbe schon durch ihre Größe, aber auch die markante Kopfform kaum zu verwechseln.

Kegelrobbe (Foto: W. Starkey)
Seehund (Foto: C. Brück)

Großes Beutespektrum

Die Nahrung der Kegelrobbe besteht vor allem aus Fisch, Krebsen und Tintenfischen. Doch auch vor größerer Beute schreckt sie nicht zurück. Sie macht sogar Jagd auf Seehunde und die bis zu zwei Meter großen Schweinswale (Phocoena phocoena).1 Dem Menschen gegenüber sind sie jedoch scheu und damit keine Gefahr. Allerdings kommt es z. B. auf Helgoland, wo die Robben an Menschen gewöhnt sind, immer wieder zu kleineren Kratzern oder Bissverletzungen bei Badegästen, insbesondere bei solchen, die die Nähe der Tiere suchen. Auf der Insel geht man aber davon aus, dass es sich dabei nicht um Feindseligkeit oder gar Fressversuche handelt, sondern nur um Neugier oder Spieltrieb, wie wir es auch von Hunden kennen. Wenn sie jedoch ihre Jungtiere gefährdet sehen, können Kegelrobben auch dem Menschen gegenüber sehr aggressiv werden.

Großes Beutetier: der Schweinswal (Foto: M. Wernicke)
Kegelrobbe (Foto: C. Rosenbaum)
Schädel und Gebiss einer Kegelrobbe (Foto: patriciawla)

Heute wieder in Nord- und Ostsee zuhause

Insbesondere auf Druck der Fischerei wurde die Kegelrobbe lange Zeit stark bejagt, so dass sie Anfang des 20. Jahrhunderts im Wattenmeer der Nordsee nahezu und in der deutschen Ostsee sogar gänzlich ausgerottet war. Heute ist sie bei uns geschützt und im Wattenmeer oder um Helgoland wieder regelmäßig zu beobachten – wenn auch deutlich seltener als der Seehund. An der Ostseeküste haben sich die Bestände ebenfalls erholt. Die Ostsee-Kegelrobbe ist übrigens nicht identisch mit der in Nordsee, sondern gilt als die eigenständige Unterart Halichoerus grypus balticus.

Kegelrobben (Foto: C. Brück)

Und welches ist das kleinste deutsche Raubtier?

Wenn wir schon beim Thema sind: Das kleinste „echte“ Raubtier Deutschlands ist das Mauswiesel (Mustela nivalis). Der Marder wird samt Schwanz 20 bis 30 Zentimeter lang und kaum schwerer als 100 Gramm. Dabei ist er extrem schlank, so dass er seiner Hauptbeute, den Mäusen, sogar in ihren Gängen nachstellen kann.

Mauswiesel (Foto: K. Law)
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Quellen:

1 van Neer, A., Gross, S., Kesselring, T., Wohlsein, P., Leitzen, E., & Siebert, U. (2019). Behavioural and pathological insights into a case of active cannibalism by a grey seal (Halichoerus grypus) on Helgoland, Germany. Journal of sea research, 148, 12-1

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